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Einzelprojekt 4 - Untersuchung der seismischen Gefährdung aufgrund induzierter Seismizität bei tiefer geothermischer Energiegewinnung

Im Einzelprojekt 4 wird die seismische Gefährdung durch menschlich verursachte (induzierte) Rissbildungen und eventuell auch getriggerte Erdbeben in der Nähe von Geothermiekraftwerken mit deterministischen und probabilistischen Analysen ermittelt. Die Gefährdung durch induzierte Seismizität wird mit der Gefährdung durch natürlich auftretende Erdbeben verglichen.

Um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens seismischer Einwirkungen in Form von Intensitäten oder Bodenbeschleunigungen anzugeben, wird die probabilistische Methode eingesetzt. Hierbei wird ein Seismizitätsmodell, das die Überschreitenswahrscheinlichkeit von Erdbeben mit einer bestimmten Magnitude beschreibt und ein Ausbreitungsmodell, das die von einem festgelegten Erdbeben erzeugten Bodenbewegungen und deren Abklingen mit der Entfernung beschreibt, benötigt. Für die natürliche Seismizität wird das Seismizitätsmodell mit Hilfe der in der Vergangenheit aufgetretenen Erdbeben festgelegt und unter Annahme von Zeitunabhängigkeit als Wahrscheinlichkeitsmodell für die Zukunft angenommen. Die Magnituden-Häufigkeits-Verteilung kann hierbei durch das Gutenberg-Richter-Gesetz beschrieben werden, das einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit kleiner Erdbeben und der Häufigkeit großer Erdbeben herstellt. Die gemessene Häufigkeit kleiner Erdbeben in der Vergangenheit kann somit verwendet werden, um die Überschreitenswahrscheinlichkeit größerer Erdbeben in der Zukunft abzuschätzen. Maximale zu erwartende Magnituden sind für einzelne seismotektonische Regionen charakteristisch. Sie ergeben sich aus der physikalisch limitierten Größe einer Störungszone.

Die Übertragung der probabilistischen Methode auf die Abschätzung der seismischen Gefährdung aufgrund induzierter Seismizität wirft die Fragen auf:

  • Wie kann die Zeitabhängigkeit des seismischen Prozesses berücksichtigt werden? Stationarität des seismischen Prozesses kann bei induzierter Seismizität a priori nicht vorausgesetzt werden, z.B. aufgrund der Stimulation des Bohrlochs während der Ausbauphase oder der Variationen des Betriebsdrucks.
  • Gilt das Gutenberg-Richter-Gesetz auch bei kleinen induzierten Ereignissen? Gibt es eine ermittelbare maximal mögliche Magnitude? Eine Maximalmagnitude kann sich aus der Tatsache ergeben, dass der Einflussbereich der Bohrung, das „angeregte“ geothermische Reservoir, nur eine endliche Ausdehnung hat. Durch die Abschätzung dieses Volumens könnte auf eine maximal mögliche Bruchlänge zurückgeschlossen werden, die dem Durchmesser des Volumens entspricht.
  • Welche Ausbreitungsmodelle müssen gewählt werden? Da induzierte Seismizität im Allgemeinen deutlich flacher als tektonische Erdbeben stattfindet, erzeugt sie bei gleicher Magnitude stärkere Bodenbeschleunigungen. Wie sind die lokalen bodendynamischen Bedingungen des Untergrunds einzubeziehen?

Ansätze zur Beantwortung dieser Fragen gibt es bisher im Bereich der durch Bergbau induzierten Seismizität, aber durchaus auch schon im Bereich der aufgrund tiefer Geothermie induzierten Seismizität (Spies et al, 2005; Majer, 2007; Köhler et al, 2009; Baisch et al., 2009). Auch die Untersuchung von Nachbeben-Serien oder Schwarmbeben, also von einer großen Anzahl schwacher Ereignisse in geringen Herdtiefen, kann wertvolle Beiträge liefern. Hier liegt z.B. ein großer Datensatz aus Umbrien-Marken in Italien vor.

Die Ziele von Einzelprojekt 4 sind:

  • Bewertung der seismischen Gefährdung an Geothermiestandorten aufgrund der natürlichen Seismizität
  • Ermittlung und Bereitstellung von Abnahmebeziehungen für seismische Amplituden bei sehr flachen seismischen Quellen in der Nähe von Geothermiebohrungen unter Berücksichtigung lokaler bodendynamischer Eigenschaften
  • Entwicklung und Bereitstellung von Methoden zur Berücksichtigung nicht-stationärer Seismizität bei probabilistischen Analysen sowie von Methoden und Verfahren zur Erstellung und Aufbereitung von Eingangsdaten.
  • Ermittlung der seismischen Gefährdung aufgrund induzierter Seismizität und Ermittlung der möglichen Erhöhung der gesamten seismischen Gefährdung
  • Schlussfolgerungen für die Erstellung einer Leitlinie zur effektiven seismischen Überwachung bei tiefer geothermischer Energiegewinnung. Als Vergleich können hier Leitlinien für die Bestimmung der seismischen Gefährdung im Falle anderer Bauwerke bzw. Aktivitäten gewonnen werden, z.B. Leydecker et al. (2006).

Balkenplan EP4 (PDF, 10 KB)
Einzelprojekt 4 - Stand der Arbeiten (03/2012) (PDF, 912 KB)
Einzelprojekt 4 - MAGS-Abschlussworkshop (09/2013) (PDF, 3 MB)
Abschlussbericht EP4 (BGR-B4.4) - Untersuchung der seismischen Gefährdung aufgrund induzierter Seismizität bei tiefer geothermischer Energiegewinnung (PDF, 1 MB)

Referenzen

Baisch, S., Carbon, D., Dannwolf, U., Delacou, B., Devaux, M., Dunand, F., Jung, R., Koller, M., Martin, C., Sartori, M., Secanell, R. & Vörös, R., 2009. Deep Heat Mining Basel - Seismische Risikoanalyse. – Trinational Seismic Risk Analysis Expert Group (SERIANEX Group) c/o Q-con GmbH. Link

Köhler, N., Spies, T. & Dahm, T., 2009. Seismicity patterns and variation of the frequency-magnitude distribution of microcracks in salt. Geophys. J. Int. (GJI), 179, 489 - 499.

Leydecker, G., Schmitt, T. & Busche, H., 2006. Erstellung ingenieurseismo­logischer Gutachten für Standorte mit erhöhtem Sekundärrisiko auf der Basis des Regelwerkes KTA 2201.1. Leitfaden, (Monographien der BGR), ISBN 3−510−95952−3.

Majer, E.L., Baria, R., Stark, M., Oates, S., Bommer, J., Smith, B. & Asanuma, H., 2007. Induced seismicity associated with Enhanced Geothermal Systems. Geothermics, 36, 185-222. Link

Sägesser, R. & Meyer-Rosa, D. 1978. Erdbebengefährdung in der Schweiz. Schweizerische Bauzeitung, Heft 7/78, Zürich Link

Spies, T., Hesser, J., Eisenblätter, J. & Eilers, G., 2005. Measurement of acoustic emission during backfilling of large excavations. Proceedings of the 6th Symposium on Rock Bursts and Seismicity in Mines, Eds. Potvin, Y. and Hudyma, M., Perth, Australia, 379 – 384, Perth.

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